Fall Robert A.: Innenminister Schuster lässt Abschiebung unterbrechen

Wende im Fall Robert A.: Die auf Montag vorgezogene Abschiebung ist ausgesetzt. Zuvor hatte es eine Unterschriftenaktion und eine Solidaritätskundgebung für den Mann gegeben, der sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat.

Chemnitz.Sachsens Innenminister Armin Schuster hat am Montagmorgen die geplante Abschiebung des Chemnitzers Robert A. unterbrochen. „Ich habe angeordnet, den Fall durch die Landesdirektion zu überprüfen“, wird Schuster in einer Pressemitteilung des Innenministeriums zitiert. Diese Prüfung solle in Abstimmung mit der Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz erfolgen.

Robert A. wurde überraschend bereits am Montag nach Frankfurt gebracht und sollte von dort aus im Laufe des Tages nach Serbien abgeschoben werden; ursprünglich war die Abschiebung erst für Dienstag angesetzt gewesen. A. war am Freitag bei einem Termin in der Chemnitzer Ausländerbehörde in Abschiebegewahrsam genommen worden.

Der 31-Jährige lebt nach Angaben seiner Unterstützer sein ganzes Leben in Deutschland, spricht fließend Deutsch, aber kein Serbisch, ist nicht serbischer Staatsbürger und war noch nie in Serbien. Die Stadt Chemnitz hat sich bislang noch nicht zu dem Fall geäußert. Robert A. ist Mitglied bei den Chemnitzer Grünen, deren Vorsitzende Coretta Storz bei Robert A.s Verhaftung am Freitag dabei war. 19.500 Menschen haben bereits eine Petition unterzeichnet, die einen Abschiebestopp fordert. Am Sonntag hatten 250 Menschen in Chemnitz für ein Bleiberecht für Robert demonstriert.

Die Nachricht der Abschiebung schon am Montag kommt überraschend, bisherigen Informationen zufolge war die Abschiebung auf Dienstag angesetzt. Coretta Storz, Vorsitzende von Bündnis90/Die Grünen erklärt dazu: „Was hier passiert, ist ein Skandal und muss noch aufgehalten werden. Das große öffentliche Interesse, die vielen Tausend Unterschriften und alle Tatsachen im Fall von Robert A. zeigen doch deutlich, dass hier noch Beratungsbedarf ist.“ Die schnelle Abschiebung solle verhindert werden.

Joseph Israel, Co-Vorsitzender der Chemnitzer Bündnisgrünen, ergänzt: „Was soll Robert A. in Serbien denn tun? Er spricht die Sprache nicht, er war nie dort, er ist kein Staatsbürger. Er ist dort vor Ort völlig falsch, er gehört zu uns, hier ist sein Zuhause.“


Flüchtlingsrat

Nach über 30 Jahren in Deutschland: Drohende Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz – Link zur Petition

Robert A. kam nach Deutschland als er acht Monate alt war. Der heute 31-Jährige wuchs hier auf, machte in Chemnitz seinen Schulabschluss und absolvierte anschließend eine Ausbildung. Obwohl er sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht hat, durfte er weder arbeiten noch umziehen – nun droht seine Abschiebung nach Serbien.

Wer aktiv werden will – Link zur Petition!

Robert A. wurde heute Mittag in die Ausländerbehörde Chemnitz bestellt und dort von der Polizei in Gewahrsam genommen. Aktuell wird er in die Abschiebungshaftanstalt nach Dresden gebracht, um ihn von dort aus am Dienstag nach Serbien abzuschieben. Ein Land, dass Herr A. noch nie gesehen hat und dessen Sprache er nicht spricht.

Die Chemnitzer Grünen-Politikerin Coretta Storz war Zeugin der heutigen Festnahme in der Behörde.  Sie ist fassungslos: „Es kann doch nicht sein, dass wir Mitmenschen abschieben, deren Lebensmittelpunkt schon immer in Deutschland war! Robert wäre – ohne Arbeitsverbot – sehr gut in der Lage seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Er braucht keine Integrationshilfen, er braucht die Wahrung seiner Menschenrechte. Robert gehört zu uns, er ist Chemnitzer – Punkt“

Lebenslange Angst vor Abschiebung

Seine Eltern flohen 1993 vor dem Jugoslawien-Krieg. Robert A. wurde auf der Flucht in den Niederlanden unter anderem Namen geboren und besitzt keine Staatsangehörigkeit. Denn weder Serbien, das Geburtsland seiner Eltern, noch die Niederlande oder Deutschland haben ihn als Bürger ihrer Staaten anerkannt.

„Seine Lebensgeschichte ist eine einzige Tortur, da er nie Sicherheit über seinen Aufenthalt besaß. Über Jahrzehnte muss er für Fehler seiner Eltern büßen und die zuständigen Behörden zeigen keinerlei Menschlichkeit in seinem Fall – egal, wie sehr sich Robert A. über die Jahre bemühte“, kommentiert Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Behörde in Chemnitz lehnte wiederholt Arbeitsgesuche ab

Als er 2016 seine Ausbildung abschloss, erhielt Robert S. zahlreiche Arbeitsangebote. Doch die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz lehnte es stets ab, ihm eine Arbeitserlaubnis auszustellen, da seine Staatsangehörigkeit nicht geklärt sei. Der Sächsische Flüchtlingsrat mahnt an, dass schon alleine die Tatsache, dass Robert A. sein Leben lang nur geduldet war, rechtlich problematisch ist.

„Wenn Kinder hier aufwachsen und ihre komplette Sozialisation hier stattfindet, dann sind sie auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit faktische Inländer. 30 Jahre in Deutschland müssen reichen, um diese unmenschliche Abschiebung zu stoppen und endlich eine aufenthaltsrechtliche Lösung im Fall zu finden“, so Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.


Kai Kollenberg – LVZ

Abschiebung unterbrochen: Grünen-Mitglied Robert A. aus Chemnitz bleibt vorerst

Er bleibt, zumindest vorerst: Innenminister Armin Schuster hat die Abschiebung des staatenlosen Grünen Robert A. aus Chemnitz am Montag unterbrochen.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) hat die geplante Abschiebung des Grünen-Mitglieds Robert A. unterbrochen. „Ich habe angeordnet, den Fall durch die Landesdirektion zu überprüfen“, so Schuster am Montag. Demnach wird A. nicht wie geplant nach Serbien abgeschoben, nachdem er die letzten 30 Jahre seines Lebens in Deutschland verbrachte. Er hat keine Staatsangehörigkeit.

Mit acht Monaten kam Robert A. nach Deutschland. Geboren wurde er in den Niederlanden, während seine Eltern vor dem Jugoslawien-Krieg flohen. In Chemnitz besuchte er die Schule und machte eine Berufsausbildung. Arbeiten durfte er in Deutschland nicht. Gegen seine geplante Abschiebung nach Serbien wurden in den letzten Tagen zahlreiche Stimmen von Politikern verschiedener Parteien laut.

Laufendes Ermittlungsverfahren gegen Robert A.

Der Unterstützerkreis von Robert A. konnte sich bislang nicht erklären, warum die Ausländerbehörde so scharf gegen ihn vorging. Nach LVZ-Informationen ist A. aber in der Vergangenheit strafrechtlich aufgefallen. 2019 hat er Betäubungsmittel illegal verkauft und dabei auch einen gefährlichen Gegenstand beziehungsweise eine Waffe mitgeführt. Dafür wurde er 2021 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Aktuell läuft gegen A. ein weiteres Ermittlungsverfahren. Er wird verdächtigt, einen Diebstahl begangen zu haben.

Auffällig ist auch, dass die Angaben von A.s Unterstützerkreis unvollständig erscheinen. Bisher wird stets betont, dass er nach Serbien abgeschoben werden soll, obwohl er das Land nicht kenne, dort nicht gelebt habe und die Sprache nicht spreche. Der LVZ liegen aber Informationen vor, wonach A. durchaus Verbindungen nach Serbien haben soll. Demnach leben seine beiden älteren Brüder dort.